Auf dem Leipziger Markt steht eine Imbissbude: Poseidon Grill. Der Inhaber wird prompt Opfer höherer Bestrebungen: Die Genehmigung des Gastronomen vermag nichts gegen die größere Genehmigung des Odysseus, der eine Doppelrolle als fahrender Regisseur und irrender Seefahrer innehat. Noch stärker sind die brachialen Argumente des Riesentrucks, der rückwärts fahrend die Imbissbude einfach beiseite schiebt. Den Imbissbetreiber drängt die Besatzung aus dem Bild. Er verspricht, wiederzukommen. Der Truck verwandelt sich zur Bühne, die Odyssee zur Materialschlacht. Sirenen heulen, nach dem Schlachten wird reichlich gewässert, es knallt und brennt, Funken stieben, die Windmaschine läuft auf Hochtouren, Toilettenbecken zerschellen, Theaterblut fließt in Strömen nicht nur aus dem Zyklopenauge. Schon der Bühnenbau wird zum Akt. Der vertriebene Imbissbetreiber versucht im Lauf des Spiels sein Recht erst mit Papieren, dann mit immer stärkeren Waffen durchzusetzen, um jedes Mal wieder verspottet und erniedrigt zu werden. Ein Kohlhaas im antiken Gewand – doch die Schändung der Imbissbude entfesselt schließlich olympische Kräfte: Im Verlauf seines großen Finales fragt Poseidon Odysseus lakonisch: „Bist du nun satt?“, ehe er auf seine Weise glorios zum Olymp emporsteigt und zum Schluss zeigt, was eine „wirkliche“ Windszene ist. Wenn das Theater Titanick aufspielt, ist ein üppiges Spektakel garantiert – und ein großartiges Vergnügen. Ein Spektakel um Macht, Deutungshoheiten und Scheinwelten, dass nicht alle gleich begeisterte: Manche Zuschauer verließen die Vorstellung schon vor dem Ende. Alle anderen waren eindeutig bezirzt – nicht nur von Circe, sondern auch von Stahl, Holz, Stoff und Element gewordener Fantasie der Macher. Wer das Theater „Titanick“ nicht gesehen hat, der hat etwas ganz besonderes verpasst.

Mehr Informationen: www.titanick.de