Das Rathaus hatte es gestern verkündet, seit heute sind sie auf den Leipziger Straßen und Plätzen unterwegs im Winterdienst: 1-Euro-Jobber. Was da in der Pressemitteilung der Stadtverwaltung ganz blumig klingt:

…Arbeitskräfte des geförderten Arbeitsmarktes…

heißt nämlich auf gut deutsch: 1-Euro-Jobber, die „vorerst“ bis zum Freitag schaffen sollen, was der Stadtreinigung bisher nicht gelungen ist.

„Ausnahmsweise und vorübergehend“

Winterdienst für 1 Euroso wird die ARGE Leipzig von der LVZ zitiert, sei dieser Einsatz, für den es keine gesetzliche Grundlage gibt. Wer es glaubt, wird selig: Ist erst einmal eine Ausnahme möglich, wird sie beim nächsten starken Schneefall, oder was auch immer es sein wird, wieder möglich sein. Heiko Rosenthal (Die Linke), Bürgermeister und Beigeordneter für Umwelt, Ordnung und Sport entlarvt so, ob mit Absicht oder ohne, Hand in Hand mit ARGE und IHK, wozu der „geförderte Arbeitsmarkt“ gut ist: Ein Reservoir an billigen Arbeitskräften steht bereit, wenn der Öffentliche Dienst nicht mehr weiter kann, weil dort seit Jahren gespart wird. Die Schlagworte von „Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt“ oder ausschließlicher Durchführung von „zusätzlichen“ Arbeiten erweisen sich als leere Worthülsen.

Dass dieser Präzedenzfall ausgerechnet zum Auftakt der Tarifverhandlungen im Öffentlichen Dienst geschaffen wurde, mag ja vielleicht Zufall sein. Ein Wink mit dem Zaunpfahl ist es bestimmt.

Zum Foto: Marktplatz Leipzig, 13. Januar 2010, vormittags: Eine Gruppe von Arbeitern, darunter eine junge Frau, schaufelt dick eingemummelt Schnee von einem Haufen in einen Container. Alle tragen orange Westen. Sie sprechen nicht gern mit Passanten, verweisen auf den Chef. Der hält sich auch bedeckt, gibt Auskunft nur auf Nachfrage. Ja, es seien alle 1-Euro-Jobber, und sie seien „erst mal bis Freitag“ im Einsatz, danach müsste man „mal sehen“. Gearbeitet wird von 8 bis 16 Uhr – eigentlich hätte er 14 Uhr Schluss haben müssen, sagt einer der Männer. Nein, Fotos dürfe ich nicht machen. „Das ist verboten. Da bezahlen Sie eine hohe Geldstrafe.“ droht der „Chef“. Das war kaum zu glauben. Ein Mann mit Schaufel sagte mir jedoch, er möchte nicht, dass alle sehen, was er hier machen muss. „Es reicht schon, dass hier so viele vorbeikommen.“ Das kann ich allerdings verstehen. In aller Öffentlichkeit als 1-Euro-Jobber vorgeführt zu werden, ist vielen unangenehm. Deshalb gibt es hier nur ein aus großem Abstand aufgenommenes Foto, auf dem niemand erkennbar ist, nur der Ort und die Tatsache als solche.

Update 13.1. 23.20: Heute waren es 150, ab morgen sind es 300 1-Euro-Jobber, die in Leipzig Schnee wegräumen. Wenn das so weitergeht, sind wir zum Monatsende auf BfB-Niveau, nur billiger.